Es ist Juli, August oder September, und ich habe einen geschwächten Igel gesehen, der mir hilfsbedürftig zu sein scheint. Ich glaube, es ist ein Weibchen.
Was soll ich tun?
Wenn es sich wirklich um ein Weibchen handelt, so ist vor einer Internierung gewissenhaft und kundig die Hilfsbedürftigkeit gegen die Möglichkeit abzuwägen, dass die Igelin trächtig sein oder ein Nest mit Jungen haben könnte.
Ist sie trächtig, kann man zwar entwurmen (außer den Spritzen gegen Lungenwürmer, die führen meist zur Fehlgeburt), läuft aber Gefahr, dass die Igelin während der Wurmkur in der Kiste Junge wirft. Dann hat man 6 Wochen eine Igelfamilie im Haus, denn die kann man natürlich erst auswildern, wenn die Kleinen so weit sind, dass sie außerhalb des Nestes herumlaufen können.
Im August/September haben die meisten Weibchen draußen ein Nest mit Jungen, die verhungern, wenn man das Muttertier einfängt. Es heißt also abwägen, ob man das Tier wirklich im Sommer einfangen muss, oder ob man es nicht lieber draußen füttert und bis zum Herbst einigermaßen bei Kräften hält und erst Anfang Oktober aufnimmt, um es vor dem Winterschlaf komplett zu entwurmen und hochzupäppeln, damit es im Frühling wieder aufwacht.
Wenn Sie das Geschlecht des Igels nicht feststellen können, wäre auch dies ein Grund, dass Sie mich kontaktieren: Sie können dann direkt nach dem Einfangen zu mir kommen und wir sehen zusammen nach, ob es ein Weibchen ist. Wenn ja, entscheiden wir, ob es nicht lieber sofort wieder ausgewildert und später versorgt werden kann (s.o.). Ein paar Stunden können die Jungen im Nest alleine bleiben, ohne dass sie Schaden nehmen.Sollte dies alles wegen zu großer räumlicher Entfernung nicht möglich sein, setzen Sie sich ebenfalls per Email mit mir in Verbindung. Ich kann Ihnen aus dem Netzwerk unseres Dachverbandes Pro-Igel dann eine Igelstation in Ihrer Nähe benennen.
Ist zu dieser Jahreszeit ein Igelweibchen verletzt, so kann es sich evtl. nicht genug zu fressen und zu trinken suchen, um die Trächtigkeit erfolgreich zu absolvieren und anschließend genug Milch zu haben, um die Kleinen ausreichend zu säugen. Dies zu erkennen und einzuschätzen, ist sehr schwierig, und ich müsste ein solches Tier umgehend sehen. Sofort nach dem Einfangen sollten der Garten und die Umgebung im Umkreis von ca. 500 m mehrmals langsam abgegangen und abgesucht werden, ob ein Nest mit hilflosen Jungen zu finden ist. Diese fiepen wie junge Vögel, wenn sie sich verlassen fühlen und Hunger haben. Stellt sich heraus, dass das Weibchen nicht wieder zu ihnen ins natürliche Nest zurück kann, muss man auch die Säuglinge schnellstmöglich aufnehmen, mit ihnen gemäß der Anleitung im Text „Verwaiste Igelsäuglinge” verfahren und sofort zu mir oder einer der dort genannten IgelsäuglingsexpertInnen bringen. Für den Transport müssen Säuglinge und Igelin in zwei getrennten Boxen untergebracht werden, damit das gestresste Muttertier den Kleinen nicht etwa in Panik etwas antut.
Gehen Sie bitte, wenn es Probleme durch Innenparasiten geben sollte, lieber nicht zum Tierarzt. Zu viele Tierärzte kennen sich mit Igeln nicht gut aus, weil der Igel im Tierarztstudium fast gar nicht vorkommt, und geben in guter Absicht falsche oder dem Zustand und Alter des Tieres nicht angemessene Medikamente. (Auf keinen Fall dürfen Ivomec oder Advocate oder irgendein anderes Spot-On-Präparat bei Igeln verwendet werden. Sie sind für Hunde und Katzen entwickelt und lassen sich nicht einfach per Dreisatz auf das Gewicht des Igels umrechnen, denn der Igel verstoffwechselt ganz anders als andere Tiergattungen. Das für Igel an und für sich sinnvolle Entwurmungsmedikament Levamisol führt bei trächtigen Weibchen zur Fehlgeburt und bei säugenden Igelinnen zur meist tödlichen Vergiftung der Säuglinge.)
Sollten Sie aber schon beim Tierarzt gewesen sein, lassen Sie sich bitte genau am Telefon sagen, was er dem Igel/den Igeln gegeben hat, damit ich diese Info in mein Behandlungskonzept integriere.